Dies ist der erste Beitrag in einer Reihe, in der wir Gastautoren bitten, Ihre Schätze und die dazugehörige Geschichte zu erzählen. Das Fahrzeug hier ist ein W124 220E, also der Baureihennachfolger des Namesgebers dieses Blogs in der gleichen Farbe signalrot (568).
Hier nun also die Geschichte von Felix, erzählt von seiner Besitzerin Jasmin:
Hallo, mein Name ist Felix, ich bin ein Mercedes Benz 220E, Typ 124. Gebaut wurde ich September 1992, im Oktober desselben Jahres kam ich als Dienstwagen nach Berlin (ja, auch in Farbcode 568 signalrot kann man ein Dienstwagen sein). Nach zwei angenehmen Dienstjahren wurde ich 1994 in den Ruhestand nach Frankfurt geschickt und kam von dort aus in liebevolle Rentnerhände… doch das Schicksal hatte noch Großes mit mir vor und deswegen gibt es jetzt erst mal einen Zeitsprung zum 03.05.2013.
Ich stand mir schon seit einem Jahr erst bei Mercedes, später bei einem Kleinstautohändler, die Räder kaputt, der Lack wurde rosa und stumpf, mir taten die Gelenke weh und meine Kehle war staubtrocken. An diesem Tag im Mai kam eine junge Dame zu diesem Autohändler.
Ich stand ziemlich weit hinten, versteckt zwischen all diesen jungen Hüpfern… hu hu, hier bin ich, junge Dame guck doch bitte mal zu mir… schade, ging geradewegs in den Büroconatiner… oooooohhhhh, sie kommt zu mir, hübsch ist sie 😉 und hinter ihr tatsächlich der Händler (ein netter Herr war das, ich kann nicht klagen) und er hat da noch so einen Kasten in der Hand??? und meine Schlüssel. Tatsächlich, die Dame möchte eine Probefahrt mit mir machen, ich freu mich wie verrückt. Der Händler machte meine Motorhaube auf und steckte diesen Kasten an meine Batterie. Ich spürte, wie das Leben durch meine Leitungen floss und ich sprang zufrieden schnurrend an (was keine Selbstverständlichkeit nach einem Jahr war). Ich spuckte und rauchte erst mal sämtlichen Dreck aus dem Motorraum (ja, ich war von Anfang an Feuer und Flamme für die junge Dame), dann durfte ich endlich nach Monaten auf meinen eigenen Schuhen wieder laufen, ich durfte sogar mal kurz auf der Autobahn wieder rennen, ihr glaubt gar nicht wie gut das tat. Nur nicht ausgehen durfte ich, ich war noch etwas schwach mit der alten Batterie. Auf einem Supermarktplatz hielt die junge Dame dann an und bewunderte mich in Ruhe und sie sprach sogar mit mir. Sollte es tatsächlich möglich sein, dass jemand verstand, dass wir Autos auch Seele und Gefühle haben? Leider war die Fahrt viel zu schnell vorbei und ich wurde sehr traurig, dass ich wieder alleine auf diesem Platz mit diesen jungen Hüpfern war, hoffentlich kommt sie wieder…
Und tatsächlich, schneller als ich zu wagen glaubte, stand sie 3 Tage später wieder in diesem Bürocontainer und es dauerte lange, bis sie wieder rauskam. Aber sie ging nicht einfach weg, sie kam zu mir und streichelte sanft meinen Kotflügel und erzählte mir, dass sie mich gekauft hat, noch ein paar Tage Geduld und dann muss ich nie wieder auf diesen Platz.
Ein paar Tage Geduld später bekam ich eine neue Batterie, einen neuen Kühler und am 15.05.2013 wurde ich angemeldet. Endlich bekam ich einen vollen Bauch, ein paar Tage später frisches Öl, neue Brems- und Kühlflüssigkeit.
Mein neues Frauchen nannte mich die ersten Tage Elli, nach dem Vornamen der Vorbesitzerin. Sie ist eine kluge Frau, denn sie nahm den Fahrzeugbrief in die Hand und fand heraus, wo ich früher wohnte. Sie rief dort an und eines der ersten Sätze, die meine Vorbesitzerin sagte: „Ja, wir hatten mal einen roten Mercedes, er wurde Felix genannt. Ich hatte schon Angst, dass er nach Afrika exportiert wurde. Bitte pflegen sie ihn genauso gut, wie wir es die letzten 18 Jahre taten. Mein Mann hat Felix immer gute Nacht gewünscht oder ihm den Kotflügel gestreichelt“. Bis heute kann ich nur bestätigen, dass meine neue Besitzerin sich diese Worte zu Herzen nimmt, meinen alten Namen beibehielt und auch sie herzt mich oder wünscht mir vom Balkon aus gute Nacht. Mich hat mein erster Eindruck nicht enttäuscht, sie versteht wirklich, dass wir Autos Gefühle haben.
2013 war ein relatives ruhiges Jahr, wir lernten uns näher kennen, mein Lack und meine eklatante Roststelle hinten links wurden von ihr vorsorglich behandelt. Außerdem bekam ich frische Winterreifen spendiert, Hauptsache ich durfte und konnte endlich wieder Kilometer verspeisen (ich war noch ein Teenager mit 153.000 km) und mit den Sommerreifen von 2002, 2005 und 2007 war kein Land zu gewinnen.
2014 kam eine kleine, aber weitreichende Änderung auf uns zu: ich durfte Kumpels kennen lernen. Auf einem sogenannten Alt-Mercedes-Stammtisch (Mercedes Stammtisch Hofheim). Wow, wir waren geflasht, dass es so viele Gleichgesinnte gab. Bis heute sind wir regelmäßig dabei, man tauscht sich aus, lernt neues altes Blech kennen und ich profitiere sogar davon, denn dadurch kam ich in gute Hände was Werkstatt und Karosserie angeht (es gibt tatsächlich Leute, die wissen mit unseren alten Autos nichts anzufangen). Viele Freundschaften sind entstanden, Abenteuer und Ausfahrten haben wir gemeinsam erlebt. Auch 2014 war ein relativ ruhiges Jahr, ich bekam neue Traggelenke vorne und eine neue Wasserpumpe, der übliche Service wurde gemacht.
2015 war ich zum ersten Mal schwer krank und musste im Mai zum Karosseriebauer. Der Rost nagte heftig an mir, mein Blechkleid schmerzte mich. Es wurden die neuralgischen Punkte bearbeitet: Wagenheberaufnahmen, Türen und mein Seitenteil hinten links frisch gemacht. Nur einen Monat später „schmuste“ sich ein Motorrad an meine rechte Seite und machte mir die Türen kaputt. Aber hey, es ging wieder zu den Wunderpfötchen namens Karosseriebauer und wie meine Besitzerin strahlte, als sie mich im Juli dort abholte, ich werde es nie vergessen. Aufgrund meines heiklen Farbtons in Rot bekam ich eine Rundumlackdusche inklusive Klarlack. Ich strahlte regelrecht zurück und hab mich gefühlt wie ein junges Kind. Was übrigens gut zu den neuen Alufelgen passte, die ich im Mai von meiner Besitzerin geschenkt bekomme habe.
2015 war auch ein trauriges und gleichzeitig glückliches Jahr für mich: meine Vorbesitzerin verstarb, aber ich durfte trotzdem nochmal ihre Tochter wiedersehen. Was hat sie sich gefreut, dass es mir so gut ging und ich in so gute Hände gekommen bin. So erfuhr auch meine jetzige Besitzerin, dass ich bereits 2007 so gut wie nicht mehr gefahren wurde, weil der Vorbesitzer gestorben war und seine Frau nicht fahren durfte. Da die Familie aber mich so geliebt hat, fiel eine Trennung schwer, aber sie musste 2012 stattfinden. Und so kam ich eben 2013 zu meiner heutigen Besitzerin…
Kommen wir zu 2016, da wurde ich ein 2. Mal schwer krank. Mein Nervenkostüm spielte nicht mehr mit nach so vielen Jahren und so blieb ich im Februar mit einem kapitalen Elektronikdefekt liegen.
Habe ich erwähnt, dass meine Besitzerin schlau ist? Sie wusste sofort, woran ich kränkelte, leider wurden wir in der Spezialwerkstatt nicht erhört und so dauerte es 2 Monate, bis ich wieder gesund war. Mein Waschdüsenkabelbaum war defekt (meine Besitzerin hat es so vermutet), eine Sicherung war defekt, aber die Werkstatt beharrte darauf, dass es der Motorkabelbaum ist. Meine Besitzerin ließ beide Kabelbäume tauschen(war ja nicht mehr der Jüngste) und mir geht es seitdem wieder richtig gut und bin inzwischen ein 200.000 km Auto, aber noch lange nicht am Ende.
Inzwischen muss ich auch nicht mehr in irgendwelche Werkstätten, sondern lass es mir in der Werkstatt vom Stammtisch gutgehen. Mir geht es besser denn je, ich bin in liebevolle und fürsorgliche Hände gekommen, die sich nicht zu schade sind, auch selbst tätig zu werden und meine Räder oder das Öl zu wechseln. Ich weiß, die junge Dame hatte am Anfang große Bedenken, ein Mercedes ist doch teuer und dann bin ich noch ein großes Auto, aber wir sind zusammen gewachsen und ich wünsche mir, dass ich bei ihr alt werden darf (sie will auch gar kein anderes, neueres Auto).
2017 hat nun begonnen, ich habe wieder einen Schaden abbekommen hinten rechts, durfte wieder zu meinen Wunderpfötchen, aber ansonsten war es bisher ein ruhiges Jahr. Ich werde fast jeden Tag gefahren und das ist genau mein Ding… ich bin gespannt, was wir noch für gemeinsame Erlebnisse haben.