Hochalpines Wintervergnügen im W220 (Teil 1)

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Am 04.02.2019 um 6:45 Uhr war es endlich soweit:
Nach wochenlanger Vorfreude und Ungeduld machten  sich der Kameramann  und Videoeditor Drannel von “Der Sternenkreuzer” und Klaas, Mitautor des Blogs “zweikommdrei.de”, mit einer chalcedonblauen (Farbcode 347) Millenium-S-Klasse (W220, 1998-2005)  auf den Weg ins österreichische Kaunertal. Ihr Ziel war es, die winterliche hochalpine Natur sowohl auf Skiern, als auch mit dem Auto zu erleben. Ihr Bericht:

Welches Fahrzeug sollte sich für eine lange Reise in die Alpen besser eignen als eine S-Klasse? Dank Ihrer serienmäßigen Luftfederung AIRmatic (Adaptive Intelligent Ride Control), dem Automatikgetriebe mit Drehmomentwandler und der 4-Zonen Klimaautomatik mit Standheizung und ihren unzähligen  Temperatur- und einem Sonnen-Sensor sollte die 5-Meter-Limousine der offiziell vierten Generation der S-Klasse hierzu adäquaten Langstreckenkomfort bieten.

Vollgetankt und mit kürzlich sanierter Vorderachse (s. Bericht vom 20.01.2019), einer neuen Lambdasonde für die zweite Zylinderbank, vier neuen Winterreifen und einem frischen Luftmassenmesser der Firma Bosch ließen wir Berlin der A9 folgend am frühen Montagmorgen hinter uns. Das Wetter war fantastisch: Klarer Himmel, trockene Luft und Außentemperaturen unter null Grad Celsius sorgten im wohltemperierten Flaggschiff der Marke mit dem Stern für heimelige Winterstimmung. Südlich von Leipzig war die Landschaft zudem schneebedeckt. Eine gute Einstimmung auf das, was in den nächsten Tagen folgen würde.

Zugleich erhob sich das flache Land zusehends und mündete schließlich in das schneebedeckten Fichtelgebirge, dass einige Steigungen und tolle Ausblicke auf die vor uns liegende und wunderbar geschwungene Autobahn bereit hielt. Bei Hirschberg schwebten wir tempomatgesteuert über die Landesgrenze zu Bayern.

Spätestens seit der Baureihe W140 (1991 – 1998) dürfte die Langstreckentauglichkeit der S-Klasse über jeden Zweifel erhaben sein. So ließ uns auch unser W220 aufgrund der Abwesenheit störender akustischer Einflüsse von außen, wie auch aus dem Auto selbst, nur allzu häufig vergessen, die empfohlenen Pausenzeiten einzuhalten.

Die Rundum-Doppelverglasung und die ausgefeilte Aerodynamik (cw=0,27 bei einem Luftwiderstandsindex = 0,624 m²) sorgen für angenehme Ruhe, die auch bei höheren Geschwindigkeiten einen gepflegten Plausch ohne gehobene Stimme erlaubt. Dabei zeigt der W220, dass eine gute Aerodynamik nicht mit Einbußen hinsichtlich des Innenraums verbunden sein muss. Im Vergleich zu seinem wirklich mächtigen Vorgänger ist der Innenraum des W220 sogar um 3 cm gewachsen, sodass man selbst in der von uns genutzten Variante mit kurzem Radstand keine Trombose erleiden muss.

Die sich gefühlt endlos hinziehende Autobahn zwischen Bayreuth und München verkürzten wir uns durch einen spannenden Podcast, der via Blutooth aus dem Internet das Soundsystem unseres Reisewagens beschickte und für Kurzweil sorgte.

Irgendwann vor München ließ sich eine Rast aufgrund der begrenzten Kapazität der menschlichen Blase nicht mehr vermeiden. Wir nutzen dies für die Einnahme einer Fernfahrermahlzeit bei Tank & Rast: Currywurst mit Pommes zu 9,99 Euro.

 

Aus dem Fenster konnten wir das neu eingerichtete und überdachte Rondell für Elektrofahrzeuge mit unzähligen Schnellladesäulen und einigen Tesla-Superchargern beobachten. Außer einem Mercedes E-Klasse Plugin-Hybriden war jedoch kein eFahrzeug auszumachen. Offenbar wollte der Fahrer noch schnell seinen Akku laden, bevor er lokal emissionsfrei nach München hinein fährt.

Wenig später taten wir es ihm gleich. Freilich nicht emissionsfrei: Unser Otto-Saugmotor lieferte bei der Durchfahrt durch die bayerische Landeshauptstadt beständig Vortriebsenergie, reichlich Strom und Wärme und das ganz ohne Reichweitenangst. Übrigens war noch kein Tankstop erforderlich geworden.

Entgegen unserer Befürchtungen war zur Mittagszeit die Durchfahrt durch München Richtung Garmisch-Partenkirchen ohne Verkehrsbehinderung möglich. Auf den obligatorischen Stop bei der Münchner Mercedes-Benz Niederlassung in der Nähe des Hauptbahnhofes verzichteten wir dieses Mal, da wir unser Ziel noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen wollten. Vorbei am BMW-Hautquartier und Olympiastadion ging es über den mittleren Ring rasch auf die A95 nach Garmisch-Partenkirchen.

Die zweispurige A95 ist spätestens ab Starnberg so leer und frei wie die A29 im Norden Niedersachsens zwischen Varel und Wilhelmshaven. Ideal, um den Wagen einmal über eine längere Strecke ein höheres Tempo zu gönnen, ohne dass alle 45 Sekunden eine Starkbremsung erforderlich wird.

Garmisch, der westliche Ortsteil von Garmisch-Partenkirchen, zeigte sich hingegen einmal mehr als Nadelöhr auf dem Weg in die Alpenrepublik. Durch den Ort ging es auf der B22 nur im Stop&Go Richtung Fernpass. Erst kurz vor dem Abzweig nach Grainau floss der Verkehr wieder.

Grainau ließen wir, trotz der neu gebauten Zugspitzbahn, bis auf einen Mini-Stop links liegen und und folgten der parallel verlaufenden Außerfernbahn, um bei Griesen die Grenze zu Österreich zu überqueren. Die Außerfernbahn ist eine besondere Regionalbahnstrecke, überquert sie doch zweimal die Staatsgrenze zu Österreich: In Kempten im Allgäu beginnend führt sie nach Reutte in Österreich, um anschließend Garmisch-Partenkirchen in Bayern anzusteuern.

Zügig passierten wir Ehrwald und Lermoos um bald den Fernpass zu erreichen. Der Fernpass ist weder besonders hoch (Passhöhe: 1.216m.ü.A) noch besonders steil. Dennoch ist er im Winter aufgrund abgehender Lawinen häufig gesperrt. Man sollte sich daher  unmittelbar vor einer Reise in diese Gegend informieren, ob der Pass offen ist. Ansonsten steht der Scharnitzpass via Mittenwald und Seefeld als Ausweichroute ins Inntal zur Verfügung.

Der Fernpass hält einige tolle Aussichten bereit. Insbesondere auf das imposante Zugspitzmassiv in nordöstlicher Richtung, quasi im Rückblick. Dringend ist ein Stop kurz vor der Passhöhe beim  Restaurant Zugspitzblick (47.361296, 10.844707) zu empfehlen! Der Ausblick auf die Zugspitze und dem uns zu Füßen liegenden Blindsee ist hier grandios. Der Parkplatz  ist befestigt und ausreichend groß, sodass man hier verweilen kann, ohne den Restaurantgästen den Parkraum zu verknappen.

Über Nassereith folgten wir der B179/B189 nach Imst, um ab dort auf der B171 dem Inntal zu folgen. Als sehr zeitsparend erwies sich der neue Umgehungstunnel Nassereith, erspart man sich dort die gar nicht mal kurze Ortsdurchfahrt. Wobei ein alpenländischer Ort sicher interessanter ist, als ein Tunnel. Wir wollten allerdings unbedingt vor Einbruch der Dunkelheit am Ziel im Kaunertal ankommen. Denn die Straßen waren zwar alle durchweg und trotz der riesigen Schneemengen der letzten Wochen geräumt und abgetaut, jedoch waren sie nass. Es stand zu befürchten, dass die Straßen mit Einbruch der Dunkelheit wieder überfrieren würden und die Fahrt zu einer Rutschpartie wird.

Nur wenige Kilometer weiter östlich, also Richtung Arlbergpass, knickt das Inntal bei der Bezirkshauptstadt Landeck nach Süden ab, um den Weg ins Engadin, bzw. Vinschgau zu weisen.

Landeck war dann auch unser erster Tankstop. Hier haben wir gewissermaßen unsere Stammtankstelle “Avanti”, 47.141525, 10.563474), wenn wir auf der Durchreise vom und zum Mittelmeer sind und nicht gerade den Brenner oder Gotthard (CH) nutzen wollen. Superbenzin wurde uns für 1,17€/ltr. ausgeschenkt. Diesel war, wie so oft in Ländern, in denen Dieselkraftstoff nicht subventioniert wird, etwas teurer.

Natürlich hätten wir mit dem verbliebenen Tankinhalt bequem unser Urlaubsdomizil im Kaunertal erreichen können, allerdings war ich nicht sicher, ob es dort eine Tankstelle gibt, und was der Brennstoff dort kosten würde. Denn das Kaunertal ist ziemlich hoch- und abgelegen .

Nachdem wir die 9,5ltr. Super pro 100km aufgefüllt und die Scheiben gereinigt hatten, fuhren wir auf der Malser Straße (L76) Richtung Reschenpass. Ab hier geht es langsam aber stetig bergauf. Den Landecker Tunnel mieden wir ebenso wie zuvor die Autobahn A12 im Inntal. Beide sind mautpflichtig und vergleichsweise langweilig zu befahren. Gerade Autobahnen und Tunnel kennen wird aus Deutschland doch zu genüge.

Bei Prutz schwenkten wir nach Osten auf die Kaunertaler Landesstraße ein. Von hier aus waren es nur noch 11km bis zum Zielort Feichten, wobei auf dieser Distanz etwa 440 Höhenmeter zu überwinden waren.

Bei Kaltenbrunn verengt sich das Kaunertal sehr stark, sodass am Talboden neben der Straße gerade noch Platz für den Bach Fagge ist. Aufgrund dieser Engstelle kann die Kaltluft aus dem dahinter ansteigenden Kaunertal offenbar nicht “abfließen” sodass sich bei Nufels eine Art Kaltluftsee bildet, der die Außentemperaturanzeige unseres Wagens binnen kürzester Zeit um einige Grad Celsius abfallen ließ. Daraus resultiert das Phänomen, dass beim Aufstieg ins Kaunertal die Temperatur zunächst abfällt, nach dem durchqueren des Kaltluftsees jedoch wieder ansteigt.

Nach wenigen Kilometern erreichten wir unsere Ferienwohnung bei Feisten. Deren Einfahrt und unserer Parkplatz waren zwar geräumt, aber wie hier oben üblich, nicht abgetaut. So war zu befürchten, dass wir am nächsten Morgen, nicht ohne Hilfsmittel das Auto vom Hof bekommen würden. Diese Befürchtung stellte sich jedoch als unbegründet heraus, wie sich am nächsten Tag zeigen sollte.

Wir bezogen schließlich die Wohnung, kehrten in der Nähe in einem gemütlichen Restaurant ein, um schon bald der Nachtruhe anheim zu fallen.

 

Der nächste Morgen begrüßte uns mit klarem Himmel und einer, für uns Berliner, eher ungewohnten Kälte von ca. -15°C. Natürlich waren wir bekleidungstechnisch entsprechend gerüstet, denn heute sollte es zum Skifahren auf über 2.750m hinauf gehen.

Das Skigebiet Kaunertal befindet sich zum Teil auf dem Weißenseeferner, einem zurückweichenden Gletscher der Ötztaler Alpen,  in einer Höhe von 2.150 m bis 3.160 m. Das Besondere hierbei ist die Tatsache, dass man über die Kaunertaler Gletscherstraße nicht nur den Fuß des Skigebietes mit dem PKW ganzjährig erreichen kann, sondern auch die auf 2.750 m. Höhe liegende Station der Karlesjochbahn. Das dürfte die mit Abstand höchste im Winter mit Privat-PKW befahrbare Straße der Alpen sein.

Selbstverständlich haben wir diese Herausforderung angenommen und wollten nun mit unserer S-Klasse diese Höhe auf der geräumten, aber dennoch schneebedeckten “Kaunertaler Gletscherstraße” erklimmen.

Also fix das Auto mit allem Nötigen beladen, den Motor gestartet und den Hof Richtung Gletscherstraße verlassen. Die Kälte schien weder Anlasser noch Batterie beeindruckt zu haben. Bereits nach wenigen Kurbelwellendrehungen zündete der V-Motor bereitwillig und stellte sofort den üblich surrenden Klang ein. Die kleine und schneebedeckte Steigung zur Straße bezwang der Wagen unbeeindruckt und ohne Eingriff irgendwelcher Traktionskontrollen. Wieder einmal zeigte sich, dass gute Winterreifen das A und O sind.

Etwa anderthalb Kilometer südlich von Feichten erreichten wir die Mautstelle der Gletscherstraße. Die Tagesmaut ist im Skipass enthalten, man braucht diesen nur kurz zu zeigen und kann sogleich passieren. Wer zum Gletscher fahren möchte zahlt pro Tag und PKW mit zwei Insassen 24,- Euro, eine 14-Tageskarte kostet 32,- Euro.

Ich finde, dies sind angemessene Preise, insbesondere wenn man den (ganzjährigen) Instandhaltungs- und Schneeräumungsaufwand in dieser hochalpinen Region berücksichtigt. Dies gilt umso mehr für die 14-Tageskarte. Wie sich noch zeigen wird, haben die Mitarbeiter dort ganz hervorragende Arbeit geleistet, wenn man sich ins Gedächtnis ruft, dass im oberen Bereich innerhalb kürzester Zeit bis zu 4m Schnee gefallen sind. Wir erinnern uns an die Katastrophenbilder aus dieser Gegend nur wenige Tage zuvor.

Hinter der Mautstation steigt die Gletscherstraße gleichmäßig bis zum Staudamm des Gepatschspeichers an. Der Stausee dient in erster Linie der Stromerzeugung. Sein 1964 fertiggestellter 153 m hoher Schüttdamm stellt eine Barriere auf dem Weg zum Gletscher dar. Deshalb müssen an der östlichen Talflanke an der Luftseite des Damms zunächst vier Serpentinen durchfahren werden, um die Höhe der Dammkrone zu erreichen. Die Serpentinen sind zwar recht steil und mit engen Harnadelkurven gespickt, stellten aber trotz Schneematsches und vereister Stellen in den Schattenbereichen kein großes Hindernis für den W220 dar. Man musste schon heftigst Gas geben, um das ESP zur Arbeit zu bewegen.

An der Dammkrone angekommen, gilt es nun, den Damm zu überqueren. Trotz der links und rechts der Straße zusammengeschobenen Schneemengen war die Straße auf dem Damm breit genug, damit zwei PKW in gemäßigtem Tempo aneinander vorbeifahren können. Hier oben gilt ohnehin Tempo 30. Alles andere wäre auch lebensgefährlich, wie sich noch zeigen wird. Lediglich einen entgegenkommenden Skibus ließen wir lieber passieren, bevor wir auf die 600 m lange Dammkrone einschwenkten.

Der Gepatschspeicher war zu dieser Zeit lediglich halb gefüllt. Kein Wunder, denn hier herrschte bereits seit Monaten Winter mit entsprechend geringem Wasserzufluss. Der Stromverbrauch ist zu dieser Jahreszeit jedoch sehr hoch, sodass sich der See zum Frühjahr zusehends leert.

Umso bedrohlicher fühlte sich die nun folgende Fahrt entlang des Sees auf der Gletscherstraße an. Rechts der Straße der felsige Hang, links der Straße der sehr steile und weitestgehend baumlose Abhang bis zur tief darunter liegenden Eisdecke des Stausees. Nichts für nervenschwache Beifahrer. Denn die Straße selbst ist hier lediglich anderthalbspurig, jetzt im Winter durch den Schnee eher einspurig. Die Schneedecke auf der Straße trägt das ihrige zum mulmigen Gefühl bei. Denn ein Abkommen von der Straße in einer Kurve führt unweigerlich zum Tod.

Wie gesagt: Der Hang zum See ist steil und über weite Strecken baumlos. Nach einem Ausbrechen aus einer glatten Kurve wird man ungebremst den Berg herunter rasen und auf der brüchigen Eisfläche (stets schwankender Wasserstand) aufschlagen und sie durchbrechen, um anschließend eher gemächlich auf dem Unterwasserhang bis zu 120 m tiefen Seegrund zu gleiten. Selbst wenn man es schafft, im eiskalten Wasser das Auto noch zu verlassen, so wird man es  kaum zur Oberfläche schaffen und dort das Einbruchsloch finden. Wahrscheinlicher ist es, dass man in den folgenden Wochen eine intensive Bekanntschaft mit dem Inneren einer Fancis-Turbine des Kaunertaler Wasserkraftwerks macht. Die Skibusfahrer und die Schneeräumer, die hier mehrfach täglich Ihre Fahrzeuge durchbugsieren,  genießen daher meine Hochachtung!

Nicht genug dieser grausigen Vorstellung fällt mir noch die östlich des Sees gelegene Bliggspitze am Kaunergrat ein: Ihr Hang gilt aufgrund des Abtauens ihres Westhanges als zunehmend instabil. 2007 rutschte dieser 20 cm pro Tag ab. Ein Abrutschen in den Stausee ist nicht mehr auszuschließen, sodass der Berg mittlerweile intensiv und aufwendig überwacht wird, um die Gegend notfalls rechtzeitig zu evakuieren. Die dadurch entstehende Flutwelle würde über den Staudamm schwappen und das darunterliegende Tal, ähnlich wie die Vajont-Talsperre im Jahre 1963, überfluten.

Das Wissen, dass der Hang in dieser Jahreszeit halbwegs durchgefroren und damit stabil ist, ließ mich jedoch in dieser Hinsicht nichts befürchten. Der Abhang zum See reicht ja auch.

Nach rund 6 km ist das obere Ende des Sees erreicht, wo wir über eine Brücke den Zulauf zum See überqueren, um erneut die Talseite zu wechseln. Nach ein paar harmlosen Serpentinen und Kurven quert die Gletscherstraße bei Ferner Garten den Zulauf ein zweites Mal, um nun am Westhang zu bleiben.

Es folgen unmittelbar sehr enge und steile Serpentinen, die dem Motor einiges abverlangen und die Kühlmitteltemperatur aufgrund der Last bei fehlendem Fahrtwind auf ca. 98°C steigen ließ. Das ist kein Problem, 125°C sind laut Daimler zulässig. Es zeigt aber, dass das Auto hier zum Bergsteiger wird. Mehr als der zweite Gang ist nicht drin.

Hier muss ich den Arbeitern der Straßenmeisterei meinen höchsten Respekt aussprechen. Trotz enormer Schneemengen, Schattenlage und beträchtlicher Höhe, haben sie es geschafft, die Straße nicht nur zu räumen, sondern auch komplett abzutauen. Anders wäre dieser Abschnitt auch nicht zu bewältigen.

Hat man diesen spektakulären Straßenabschnitt überwunden, ist es nicht mehr weit bis zur Talstation der Ochsenalmbahn auf 2.400m Höhe. Wer jetzt genug von der Panoramastraße hat, kann sein Kfz auf dem großen und kostenlosen Parkplatz abstellen und mit der Sesselbahn weiterfahren.

Das kam für uns natürlich überhaupt nicht in Betracht. Wenn schon, denn schon.  Dennoch legten wir eine Pause ein, um die Schneeketten aufzuziehen,  laut Beschilderung wurden diese ab hier dringend empfohlen. Zwar war mein Anspruch, es ohne Steighilfe zu schaffen, aber in Anbetracht unserer Ortsunkundigkeit und unseres Unwissens ob des Straßenzustandes weiter oben am Berg, gingen wir lieber kein Risiko ein. Nichts ist peinlicher, als mit einem Piefke-Kennzeichen am Berg hängen zu bleiben und den Verkehr aufzuhalten.

Die Ketten waren also schnell aufgezogen, die Fahrt konnte fortgesetzt werden. Es sei jedem Empfohlen, im Vorfeld eines solchen Trips die Schneeketten bei einer Trockenübung daheim aufzuziehen. Der Vorgang ist zwar grundsätzlich nicht kompliziert, wird aber im Ernstfall doch mühsam und anstrengend. Die Ketten sind eiskalt, die Finger klamm, die Räder möglicherweise schon einige wenige Zentimeter im Schnee eingesunken, der Radkasten mit einer dircken Schnee- und Eiskruste ausgefüllt.

Das alles ist Herausforderung genug. Wenn dann nicht die Reihenfolge der Handgriffe und das Prinzip der Kette klar ist, weil man es nicht verinnerlicht hat, ist das Unterfangen wenig lustig, wie es bei anderen Automobilisten, die ihre (daran völlig unschuldigen und unbeteiligten) Ehefrauen grundlos auf offener Straße anschrien, zu beobachten war.

Die Baumgrenze hatten wir bereits hinter, bzw. unter uns gelassen, als ein Ford Mondeo Tunier mit durchdrehenden Vorderrädern an einer Steigung vor uns auftauchte und  nicht mehr voran kam. Er hatte keine Schneeketten am Auto und musste wieder rückwärts herunter fahren. Glücklicherweise war die Straße breit genug, um an ihm vorbei zufahren. Wer hat eigentlich das Gerücht in die Welt gesetzt, dass Frontriebler bei widrigen Straßenverhältnissen im Vorteil seien? Mal abgesehen davon, dass ich ein untersteuerndes Fahrzeug wenig praktisch und schon gar nicht als sicher empfinde, so war hier auch in Sachen Anfahr-Traktion kein Vorteil seitens des FWD erkennbar. Vor allem bei beladenen Kofferräumen schien der Grip solcher Fahrzeuge gen null zu tendieren. Möglicherweise war es “früher” mit schweren Graugussmotoren auf der Vorderachse und Winterreifen, die diesen Namen noch nicht verdienten, anders.

Aber weiter: Wir folgten der Straße durch eine wunderschöne schneebedeckte Hochgebirgslandschaft bei blauem Himmel. Da man im Kaunertal auf sanften Tourismus setzt, ist hier das Verkehrsaufkommen sehr gering. Wir ließen es uns daher nicht nehmen,  an einer Haltebucht für einen ausgiebigen Fotostop zu halten.

Wer aus der Stadt kommt, wird die Stille an diesem Ort nicht fassen können. Nicht ein Laut zivilisatorischen Schalls ist hier wahrnehmbar. Da kalter Winter herrscht, sind auch keinerlei Vogelgesänge vorhanden. Nicht einmal ein Windhauch mischte sind ins akustische Nichts. Sollte sich dennoch eine Schallwelle hierher verirren, so würde der meterhohe Pulverschnee diese unverzüglich absorbieren.

Erst hier bemerkte ich, dass ich noch immer keine Sonnenbrille trug! Und das bei der UV-Belastung in diesen Höhen. Ich setzte die Brillen offenbar noch rechtzeitig auf, denn später spürte ich keine Reizungen der Augen.

Zwanzig Minuten später startete Drannel den V-Motor und wir (bzw. unser Auto) stiegen weiter den Berg hinauf. Angesichts der sich uns bietenden Aussichten schwiegen wir fast bis zum Straßenende an der unteren Station der Karlesjochbahn auf 2.750 m. ü.d.A.

Aber nur fast. “Halt an, halt an, halt an!” befahl ich Drannel etwa 50 Meter unterhalb der Station. Er wusste gleich was los war: Auf einer Fläche neben der Straße bauten sich vor traumhafter Bergkulisse drei der neusten Produkte aus dem Hause Mercedes-Benz auf.

Ganz links stand eine neue GLE-Klasse (V167) in europäischer Ausführung. Daneben ein GLE in US-Ausführung mit Sidemarkerleuchten und einer seriennahen („Produktionsmuster“) AMG-Frontschürze, sowie ganz rechts ein bis zur Unkenntlichkeit getarntes SUV. Unverkennbar jedoch Mercedes-Benz. Mein erster Gedanke war, dass dies ein neuer GLB sein müsse. Welches  SUV sollte sonst noch eine so starke Tarnung aufweisen? Zumals dieses Auto sehr eckig und wenig gerundet aussah.

Mit intensiver Betrachtung kamen wir zu dem Schluss, dass es kein GLB sein könne, dazu war das Auto einfach zu groß. Und als B-Klasse-Derivat wären runde Luftduschen in Turbinenoptik zu erwarten gewesen, der Erlkönig zeigt hingegen Horizontal-Düsen.

Das eckige Äußere kann auch vorgetäuscht sein. Schließlich will man Menschen wie uns ja mit der Tarnung bewusst in die Irre führen. Also möglicherweise ein GLS? Er soll 2019 erscheinen, sodass seine aufwendige Tarnung plausibel wäre. Allerdings ist ein GLS deutlich größer als ein GLE, sogar größer als ein Audi Q7. Also eher nicht.

Eine andere  Möglichkeit wurde von Herrenfahrer von Zweikommadrei.de eingebracht: Es könnte sich auch nur um einen noch nicht abgetarnten GLE gehandelt haben. Dafür spräche die ungefähr gleiche Größe wie der des daneben stehenden GLE, sowie die sehr ähnliche Rücklicht-Grafik, soweit sie erkennbar war. Nur passt dazu der Multibeam-LED-Scheinwerfer mit nur einer Lichtleiste nicht wirklich. Schwierig, denn der GLE hat E-Klasse-gemäß zwei Leuchtstäbe, ein Fahrzeug einer S-Serie derer drei. Warten wir einfach ab, was die nächsten Monate bringen werden…

Neben den drei durchgefrorenen und teilweise eingeschneiten Fahrzeugen befanden sich noch zwei mobile Blech-Garagen. Was mochte sich dahinter verbergen? Wir wissen es nicht, denn wir  haben nicht hineingesehen. Aber wir haben einer Vermutung: Uns begegnete in jenen Tagen sowohl auf der Gletscherstraße, als auch später anderenorts in der Nähe eine Kolonne bestehend aus W222 und W213, die einen Erlkönig der kommenden S-Klasse W223 umrahmten, man könnte auch sagen abschirmten.

Möglicherweise wurde der W223 abends in der Blechgarage weggeschlossen, damit die Geheimhaltung gewahrt bleibt. Trotz ingesamt dreier Begegnungen kam uns der S223 nicht vor die Kameralinse, da die Kameras jedes Mal auf dem Rücksitz lagen. Erlkönigjäger oder Paparazzi ist wirklich nicht mein Wunschberuf.

Nach dieser „kleinen IAA“ im Hochgebirge ging es nur noch wenige hundert Meter weiter bis zum Skigebiet am Gletscher, dem Gepatschferner, bzw. Weißenseeferner. Dazu nur soviel: Die Pisten waren großartig präpariert, die Liftanlagen sind modern und offenkundig gut gewartet. Das beste sind allerdings die sehr kurzen bis gar nicht vorhandenen Wartezeiten an den Liftanlagen. So macht Skisport Spaß! Kein Gedränge, keine ohrenbetäubende Musik und vor allem kein Apres-Ski. Das Abendprogramm beschränkt sich auf Feuerwerke, Nachtskifahren bei Flutlicht und Nachtwanderungen. Ideal für Familien mit Kindern.

Fortsetzung folgt….

Video: